Cornelia war vom 19.09. bis 20.09.2024 bei den Strohbautagen in Aachen. Wir haben Ihr ein paar Fragen gestellt.
Cornelia, Du bist keine Architektin oder Planerin vom Fach, sondern warst als Ehrenamtliche für die Initiative Neue Stadtgärtnerei dabei.
Was war für Dich das Faszinierenste?
Die große Vielfalt an Themen. Sie entstand nicht zuletzt dadurch, dass das Büro Z-Architektur und der Fachverband Strohballenbau Deutschland e. V. sich diesmal mit der RWTH Aachen zusammengetan haben und dort den Lehrstuhl Tragkonstruktion als Vortragende und als Veranstaltungsort gewinnen konnten.
Mich hat die Stimmung fasziniert, die aus der bunten Mischung von Architekturschaffenden, Forschenden, Zimmerleuten, Handelsvertretern und Bauleuten entstand, die alle mit Enthusiasmus und positiven Zukunftsvisionen zusammenkamen, um voneinander zu lernen und etwas Gutes in die Welt zu bringen.
Welche neuen Fachkenntnisse hast Du „mitgenommen“?
Zunächst ist es sehr interessant, von Menschen, die sich einen erheblichen Teil ihres Berufslebens mit den Fragestellungen des nachhaltigen Bauens auseinander gesetzt haben, zu lernen, wie viele Facetten es hier zu entdecken gibt. Eine wichtige und ganz praktische Erkenntnis war für mich, die Unterschiede zwischen lasttragendem Strohballenbau und der Dämmung eines Holzständerwerkes mit Stroh kennen zu lernen.
Was sind die Unterschiede und welche Besonderheiten hat für Dich das Projekt der Neuen Stadtgärtnerei bezüglich Strohballenbau?
Dazu komme ich kurz zur „Anatomie von Strohballen“: Als sogenannte Großballen sind sie 250 x 120 x 80 cm groß. Im lasttragenden Strohbau werden sie meist wie große Bauklötze mithilfe von Baugeräten aufeinander gestapelt, Dach drauf, verputzen, fertig ist der Rohbau – vereinfacht gesprochen. Diese Bauweise besticht durch ihre beachtlich kurze Bauzeit, Einfachheit und Nachhaltigkeit. Denn Stroh ist nicht nur günstig, sondern bindet CO2, ist jährlich nachwachsend, lokal und erzeugt am Ende der Nutzungsdauer der Gebäude keine umweltbelastenden Rückstände.
Mit der Neuen Stadtgärtnerei befinden wir uns allerdings im urbanen Raum und sehen als eins unserer wichtigen Ziele nicht nur den Ressourcenschutz, sondern auch die Flächensuffizienz an. Das bedeutet, dass wir ein Zeichen setzen wollen gegen den immer größer werdenden Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche, der uns maßgeblich mit in einen Wohnungs- und Klimanotstand manövriert.
Und hier kommt wieder die Anatomie der Strohballen ins Spiel: Lasttragend eingesetzt haben die Wände meist eine Stärke von 1,20 m, was im ländlichen Raum wie beispielsweise beim Bau einer Scheune nicht so stark ins Gewicht fällt. Im urbanen Raum steht es natürlich in einem recht deutlichen Kontrast zum flächensparsamen Bauen und ist daher gut abzuwägen, wenn wir Wohnraum für möglichst viele Menschen auf einer begrenzten Grundfläche bauen wollen. Dem gegenüber ist eine Wand aus Holzständerwerk mit sogenannten Kleinballen gefüllt – vom Aufbau ähnlich den Fachwerkhäusern – nur um die 40 cm dick, was mir aktuell für die NSG zweckmäßiger erscheint und bereits sehr gut erprobt ist.
„Aber das kann doch brennen“ oder „Das wird doch ganz nass bei starkem Regen“.
Wie wetter- und feuerfest ist ein Haus aus Strohballen?
Hierzu war der Vortrag der Brandschutzexpertin Dr. Ing. Judith Küppers aufschlussreich. Kurz und vereinfacht zusammengefasst: Durch die Verdichtung, die das Stroh beim Einbau im ausfachenden Strohbau erfährt, wird Sauerstoff ausgeschlossen und der Baustoff fällt nicht mehr in die Kategorie „leicht entflammbar“. Mit entsprechenden Lehm- oder Kalkputzen erreicht eine strohgedämmte Wand dann die Brandschutzwerte, die für Wohngebäude gefordert werden und wird dadurch auch resistent gegen Witterungseinflüsse. Zum Glück ist die Bauweise bereits gut erprobt und es liegen neben einer Stohbaurichtlinie aus 2014 und der Zulassung von „Baustroh“ als Baustoff auch zahlreiche Versuche und einschlägige Gutachten zum Brandschutz vor.
Und auch wenn es eine altbewährte Baumethode ist – gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden, die den Strohballenbau modernisieren?
Die Frage wäre vielleicht bei den Profis besser aufgehoben. Ich habe mitgenommen, dass zum Beispiel Prof. em. Dr.-Ing. Gernot Minke sich besonders hervorgetan hat bei der Erforschung und dem Bau von selbsttragenden Konstruktionen, bei denen Strohballen u.a. zu Kuppeln geschichtet wurden.
Es gibt interessante technische Entwicklungen, die Strohballen von vornherein in unterschiedlichen Formaten herzustellen, was eine größere Einsatzvielfalt bietet. Auch wurden in einem Wettbewerb verschiedene Arbeiten junger Architekt*innen vorgestellt, die sich mit Lösungen für aktuelle Herausforderungen befasst haben. Neben einem Entwurf für nachhaltige Flüchtlingunterkünfte möchte ich besonders die herausragende Arbeit der Architektinnen des Büros Strohkern erwähnen. Sie haben sich mit der Nachverdichtung und Aufstockung im urbanen Raum beschäftigt und entwickelten für diesen Kontext Modulbau-Entwürfe aus nachwachsenden Materialien.
Wissenschaftliche Arbeiten wurden vonseiten der Forschenden der RWTH Aachen vorgestellt, die sich – wenn auch nicht mit Stroh – mit verschiedenen anderen natürlichen Materialien auseinandersetzen. Faszinierend war für mich die Forschung an einer Mischung von Holzspänen, die mit Pilzsporen geimpft wurden und durch das entstehende Myzel verschiedene Baustoffe gebildet hat. So konnten „Ziegelsteine“, Bauplatten und vieles mehr wachsen.
Wo können sich andere Projekte und Menschen informieren, die auch mit Strohballen bauen möchten?
Der FASBA scheint eine gute Quelle für Informationen zu sein, wenn man sich dem Thema nähern will. Die Bücher von den Strohbau-Pionieren Gernot Minke und Werner Schmidt wurden mir selbst empfohlen, was ich gerne hier weitergebe. Virko Kade aus Österreich, der ebenfalls einige Projekte vorgestellt hat, bietet regelmäßig Mitbau-Workshops an. In Deutschland ist das Wohnprojekt Siebenlinden wegweisend. Es hat bereits 14 Häuser aus Holz, Stroh und Lehm gebaut und gehört damit zu den Vorreitern und Multiplikatoren auf dem Gebiet.
Welche Gedanken kommen Dir, wenn Du an einem Stoppelfeld vorbei kommst
Oft kommen mir zunächst Fragen wie: Kommt wohl noch eine Zwischensaat aufs Feld, um das Bodenleben zu erhalten? Oder wird das Feld tief gepflügt und trägt damit zur globalen Humusdegeneration bei?
Bei den Strohballentagen habe ich gelernt, dass nicht alles an Stroh, das anfällt zur Humusbildung genutzt werden kann und es somit tatsächlich ein Abfall- bzw. Nebenprodukt darstellt, das häufig nur noch als Einstreu für Tiere dient. Absurd finde ich eine Nutzung, die en vogue zu werden scheint, Stroh in Biogasanlagen mittelbar zu verheizen. Zukunftsweisender ist doch, es als Baumaterial zu nutzen und so doppelt und dreifach CO2-Emissionen einzusparen: Bei der „Produktion“ also dem Wachstum, bei dem es Kohlendioxid aus der Luft aufnimmt und als Kohlenstoff speichert, beim Transport des Baustoffes Stroh, der wesentlich kürzer ausfällt als bei üblichen Baustoffen und letztlich indem man den gespeicherten Kohlenstoff in einem Baukörper bindet und für lange Zeit eine perfekt gedämmte, Heizenergie sparende Wohnatmosphäre schafft.
Liebe Cornelia, lieben Dank für Deine Zeit und Deine Wissensweitergabe.
An Alle Menschen, die Lust haben in Bonn sozial-ökologischen Wohnbau in Strohbauweise umzusetzen und uns zu unterstützen: Meldet Euch bei uns über unser Kontaktformular: https://neue-stadtgaertnerei.org/newsletter/